Entwicklung einer mikroprozessorgesteuerten Gaswarnzentrale
S. Clemmensen (M.Sc.) und B. Paus (M.Sc.)
[Abb.:1 Gaswarnzentrale (GWZ)-Gesamtsystem]
Einleitung
In der Industrie aber auch im Gewerbe können gefährlich Gase und Gas-Luft-Gemische auftreten. Zum Schutz von Mensch und Sachgegenständen werden neben tragbaren Gaswarngeräten, fest installierte Gaswarnanlagen (Gaswarneinrichtungen) eingesetzt. Eine Gaswarnanlage besteht aus mindestens einem Gastransmitter, einer Gaswarnzentrale und externen Alarmmitteln. Die analogen oder digitalen Ausgangssignale der Gastransmitter werden von der Gaswarnzentrale entsprechend verarbeitet und permanent ausgewertet. Wird eine gefährliche Gaskonzentration überschritten, werden über potentialfreie Relaiskontakte der Gaswarnzentrale externe Alarmmittel (z.B. Hupe, Blitzleuchten) geschaltet, um die im Gefahrenbereich befindlichen Personen vor gefährlichen Gasen zu warnen. Des Weitern können automatisch Sicherheitsvorkehrungen (z.B. Lüftung einschalten, Anlagenabschaltung, Evakuierung oder Rettungsmaßnahmen) eingeleitet werden.
Es können brennbare, toxische Gase sowie Sauerstoffmangel durch die Gaswarnanlage detektiert werden. Bei brennbaren Gasen wird die Maßeinheit Volumenprozent Vol.‑% verwendet. Die Überwachung erfolgt im Bereich der unteren Explosionsgrenze (UEG). Toxische Gase werden im ppm (parts per million) Bereich gemessen.
Es wird grundsätzlich in drei Ausführungen von Gaswarnzentralen unterschieden:
Kompakte Gaswarnzentralen
Ist für kleine Anlagen mit wenigen Transmittern ausgelegt. Durch die kompakte Bauweise ist jedoch keine Erweiterung möglich.
Modulare Gaswarnzentralen
Die modulare Bauform ermöglicht es, bis zu 20 Gasdetektoren anzuschließen.
Digitale Gaswarnzentralen
Durch den flexiblen Aufbau ist die Anzahl der Gasdetektoren nahezu unbegrenzt. Mehrere Module können entsprechend vernetzt werden.
Zielsetzung
Ziel dieser Projektarbeit ist die Entwicklung einer modular aufgebauten Gaswarnzentrale. Die Module unterteilen sich in ein Basismodul, Eingangs- und einem Ausgangserweiterungsmodul.
Das Basismodul soll grundsätzlich 4 Analogeingänge von 4 bis 20 mA für Gasdetektoren bereitstellen und 10 potentialfreie Relaisausgänge zum Schalten diverser Aktoren. Des Weiteren müssen Bedien- und Anzeigeelemente wie Display, Tastatur und LEDs für den Anwender zur Verfügung stehen. Optional soll das System bis zu 512 Alarmereignisse, 512 Störmeldungen und 512 Systemereignisse speichern können. Die Konfiguration und Kalibrierung der Gaswarnzentale erfolgt über eine Service USB-Schnittstelle.
Das Ausgangserweiterungsmodul stellt der Anlage zusätzlich 4 potenzialfreie Relais zur Verfügung. Diese können als NC oder NO ausgeführt werden. Dieses Modul wird über einen Peripherie-Bus vom Basismodul entsprechend angesteuert.
Das Eingangserweiterungsmodul dient zur Einbindung von vier weiteren analogen 4 bis 20 mA Gasdetektoren. Dieses Erweiterungsmodul kann direkt mit dem Basismodul verbunden werden. Die Kommunikation erfolgt ebenfalls über das vorhandene Bussystem.
Die Erweiterungsmodule müssen direkt ansteckbar zum Basismodul sein. Dieser Artikel beschreibt nur die technische Entwicklung des Basismoduls. Alle weiteren Zusatzmodule werden in nachfolgenden Projekten geplant und umgesetzt.
Muss-Kriterien
Basismodul
- Analoganschluss für 4 Gasdetektoren mit 4 bis 20 mA Signal
- Funktionserweiterung des Basismodul durch Erweiterungskarten
- Potentialfreie Relaisausgänge, welche wahlweise als NC oder NO verwendet werden können.
- Serielle USB-Schnittstelle zum Service PC
- Beleuchtetes Grafik-Display (128 x 64)
- Summer (85 dB)
- Bedienelemente (Pfeiltasten oder Bedientasten)
- Status-LED’s
- Zwei Schaltschwellen (frei programmierbar) für jeden Gasdetektor
- Echtzeituhr (RTC)
- Anschluss für externes Bedienelement
- Energieversorgung über externes Netzteil 24 V DC
- Einbau in ein Hutschienengehäuse
- Extra Taste für Systemtest
- Vier digitale Eingänge für z.B. Taster, Not-Aus, usw.
Eingangserweiterungsmodul
- Anbindung von bis zu 4 weiteren analogen Gasdetektoren mit 4 bis 20 mA
- Digitale Ankopplung über Bus an das Basismodul
- Moduladressierung
- Hutschienengehäuse
- Direkte Anbindung an das Basismodul
Ausgangserweiterungsmodul
- Erweitert das Basismodul um weitere 4 potentialfreie Relaisausgänge
- Digitale Ankopplung über Bus an das Basismodul
- Moduladressierung
- Absicherung der Ausgänge mit 2 A
- Hutschienengehäuse
- LED Anzeige des Schaltzustandes des entsprechenden Relais
Wunschkriterien
Basismodul
- Bereitstellung einer HART-Schnittstelle für jeden Gasdetektor
- Webserver Interface für Fernwartung (Extra-Modul)
- Datenlogger-Funktion (Speichermedium EEPROM)
- Integrierte USV
Eingangserweiterungsmodul
- Hart Kommunikation zu den einzelnen Gasdetektoren
Hardware
Das Basismodul wurde hardwaretechnisch in eine Digital- und eine Analogplatine unterteilt. Diese räumliche Trennung begünstigt die Montage in einem entsprechenden Gehäuse.
[Abb.:2 Energieversorung]
[Abb.:3 Anschlussbelegung 230 V / 24 V]
Digitalplatine
[Abb.:4 GWZ-Digitalplatine]
Die Digitalplatine beinhaltet folgende Komponenten:
- 8-Bit Mikrocontroller
- Grafikdisplay (128x64 Pixel)
- ADC-Konverter (12 Bit)
- USB-Service Schnittstelle
- Tasterfeld zur Bedienung
- SD-Karten Speicher
- Externer Datenbus für Erweiterungsmodule
- Webinterface zur Fernwartung
- Schwellwertanzeige (LEDs)
- RTC mit Pufferbatterie
Analogplatine
[Abb.:5 GWZ-Analogplatine]
Die Analogplatine beinhaltet folgende Komponenten:
- 4 Transmittereingänge 4-20 mA
- 10 potentailfreie Relaisausgänge (NC und NO)
- Absicherung der Relaisausgänge gegen Überstrom
- Spannungsversorgung 230 V und 24 V
- Schutzbeschlatung (Strom/Spannung und Temperatur)
- 24 V Spannungsversorgung für jeden Transmitter
- Schirmungsanschlüsse für Transmitter
- Anschlussklemme für externen Datenbus für Erweiterungsmodule
[Abb.:6 Bauteilpositionierung]
Zur übereinanderliegenden Montage beider Platinen, wurde auf die genau Positionierung aller vorhandenen Bauelemente geachtet. Somit besteht die Möglichkeit, dass Gesamsystem in ein Kompaktgehäuse zu integrieren.
Firmware
[Abb.:7 Softwareaufbau]
Die Firmware besteht aus zahlreichen Funktionen, Unterfunktionen, Variablen, Strukturen und Definitionen. Um eine klare Übersicht zu erhalten, wurde im Vorfeld das Projekt grob in drei Schichten unterteilt. Jede Schicht beinhaltet diverse Quellcodedateien, welche teilweise von anderen Quellcodedateien abhängig sind. Jede C‑Bibliothek (.c) ist eine entsprechende Headerdatei (.h) zugewiesen. Nachfolgend werden die wichtigsten Aufgaben der einzelnen Schichten erläutert:
Treiberschicht
Diese Schicht stellt die unterste Softwareebene dar. Sie hat die Aufgabe alle Komponenten des Gerätes zu Initialisieren und eine Grundkommunikation aufzubauen. Dazu gehören unter anderem:
- LCD Grafik-Display NHD-C12864A1Z-FS(RGB)
- Ein- und Ausgabe
- Analoge Signalerfassung
- Echtzeituhr RTC-RV3029
- USB-UART Umsetzer (FT232)
- Externer I2C Bus
Service Schicht
Die unterste Treiberschicht kommuniziert direkt mit den Hardwaremodulen. Insbesondere der LCD Treiber benötigt einen wesentlich größeren Funktionsumfang, um Texte und Geometrien auf dem Grafik-Display entsprechend darzustellen (siehe Abb. 7 und Abb. 8). Auch andere Module, wie SD-Karten-Treiber und Ethernet-Treiber, welche für nachfolgende Softwareerweiterungen vorgesehen sind, benötigen zur Funktionserweiterung mehrere Treiberaufsätze. Aus diesem Grund wurde in diesem Projekt eine Zwischenschicht implementiert, welche hier auch als Serviceschicht bezeichnet wird.
Abb.:8 Hauptmenü GMZ]
[Abb.:9 Alarmanzeige Kanal 1]
Applikationen
Eine Applikation soll hier die oberste Ebene der Gerätesoftware bilden. Diese kann direkt auf die Serviceschicht (Schicht 2) und/oder auf die unterste Treiberschicht (Schicht 1) zugreifen. Alle Menüpunkte, die der Anwender der Gaswarnzentrale nach einem Systemstart aus dem Haupt- bzw. Untermenü auswählt, ist eine Applikation. Nachfolgende Applikationen stehen zur vefügung:
- Anzeige aller aktiven Messstellen
- Anzeige einer aktiven Messstelle
- Systemzeit und Datum einstellen
- Passwort vergeben
- USB Konfiguration
- Ereignisprotokoll anzeigen
- Einstellungen für SD-Karte vornehmen
- Transmittereinstellungen für alle Kanäle
Prototyp
Nachfolgende Abbildung zeigt die Gaswarnzentrale aus verschiedenen Perspektiven: